Sie sind hier: Aktuelle Rechtssprechungen und Informationen zu Mietrecht Rechtsschutz im Mietverhältnis

Räumung einer dementen 97-jährigen Mieterin

BGH lässt Räumung nicht zu


Die 97-jährige Beklagte hat im Jahr 1955 von der Klägerin eine Dreizimmerwohnung in München und im Jahr 1963 zusätzlich eine in demselben Gebäude und Stockwerk gelegene Einzimmerwohnung angemietet. Die (bettlägerige) Beklagte bewohnt die Dreizimmerwohnung und steht seit einigen Jahren aufgrund einer Demenzerkrankung unter Betreuung. Der weitere Beklagte bewohnt seit dem Jahr 2000 die Einzimmerwohnung. Seit dem Jahr 2007 ist er Betreuer der alten Dame und pflegt sie ganztägig. Im Jahr 2015 äußerte er in mehreren Schreiben an die Hausverwaltung grobe Beleidigungen gegenüber der Klägerin. Die Klägerin sprach daraufhin die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 543 Abs. 1 BGB aus.

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seiner heutigen Entscheidung unterstrichen, dass zu den bei der Gesamtabwägung einer nach der Generalklausel des § 543 Abs. 1 BGB erklärten fristlosen Kündigung zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalls ohne weiteres auch schwerwiegende persönliche Härtegründe auf Seiten des Mieters gehören.

Denn § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB schreibt ausdrücklich eine Abwägung der beiderseitigen Interessen der Mietvertragsparteien und eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vor. Die Abwägung auf bestimmte Gesichtspunkte zu beschränken und deren Berücksichtigung auf das Vollstreckungsverfahren zu verschieben, verbietet sich mithin bereits aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung. Bei drohenden schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahr sind die Gerichte zudem verfassungsrechtlich gehalten, ihre Entscheidung auf eine tragfähige Grundlage zu stellen und diesen Gefahren bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen hinreichend Rechnung zu tragen. Das kann bei der Gesamtabwägung nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Folge haben - was vom Gericht im Einzelfall zu prüfen ist -, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung wegen besonders schwerwiegender persönlicher Härtegründe auf Seiten des Mieters trotz seiner erheblichen Pflichtverletzung nicht vorliegt. Das Berufungsgericht hätte insoweit dem Vortrag der Beklagten nachgehen müssen, wonach die alte Dame auf die Betreuung durch den Betreuer in ihrer bisherigen häuslichen Umgebung angewiesen und bei einem Wechsel der Betreuungsperson oder einem Umzug schwerstwiegende Gesundheitsschäden zu besorgen seien.

Der Senat hat deshalb Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Zurück

Vorstand | Sitemap | Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen