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Härtefall bei Modernisierungsmieterhöhung

Umfassende Abwägung aller Interessen geboten


Der Kläger ist alleiniger Mieter einer ca. 86 qm großen Wohnung in Berlin. Dort wohnt er seit seinem 5. Lebensjahr. Der Mietvertrag wurde im Jahr 1962 von den Eltern des Klägers abgeschlossen. Er bezieht Arbeitslosengeld II. Die beklagte Vermieterin ließ verschiedene Modernisierungsarbeiten durchführen und machte sodann eine Mieterhöhung nach § 559 BGB geltend. Hiergegen wandte der Mieter ein, die Mieterhöhung bedeute für ihn eine finanzielle Härte. Die Vermieterin wollte diesen Einwand nicht geltend machen und verwies darauf, dass der Mieter gemessen an seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und seinen Bedürfnissen eine viel zu große Wohnung nutze.

Diesen Einwand jedoch wollte der Bundesgerichtshof nicht gelten lassen. Zwar ist dieser Umstand zwar durchaus in die nach § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen zu Lasten des Mieters einzubeziehen. Ein solcher Sachverhalt liegt jedoch nicht bereits dann vor, wenn der Mieter eine Wohnung nutzt, die gemessen an den Ausführungsvorschriften zur Gewährung von staatlichen Transferleistungen oder an den Vorschriften für die Bemessung von Zuschüssen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau zu groß ist.

Die Vorschriften zur angemessenen Wohnungsgröße bei staatlichen Transferleistungen sollen sicherstellen, dass sich ein Hilfebedürftiger nicht auf Kosten der Allgemeinheit eine zu große Wohnung leistet. Die Bestimmung des § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB verfolgt indessen einen anderen Regelungszweck. Hier gilt es abzuwägen, ob der Mieter, der sich einer von ihm nicht beeinflussbaren Entscheidung des Vermieters über die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen ausgesetzt sieht, trotz des Refinanzierungsinteresses des Vermieters seinen bisherigen Lebensmittelpunkt beibehalten darf.

Weiter ist zu beachten, dass nicht nur der Vermieter, sondern auch der Mieter den Schutz der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG genießt. Daher kann er bei der Anwendung des § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB und der Auslegung des dort enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffs "Härte" verlangen, dass die Gerichte die Bedeutung und Tragweite seines Bestandsinteresses hinreichend erfassen und berücksichtigen. Deshalb sind sämtliche Umstände des Einzelfalls – etwa auch die Verwurzelung des Mieters in der Wohnung und seine gesundheitliche Verfassung – bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen.

BGH, Urteil vom 9. Oktober 2019 – VIII ZR 21/19

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